Entspannung dank „Problem“

Friedrichshain Rochmann S2 18Berlin, 1900: Über 500 Zigarettenfirmen buhlen um ihre Kunden, oft mit verheißungsvoll orientalischen Namen wie „Effendi“, „Serail Exquisit“ oder „Sultan Auslese“, präsentiert in opulent verzierten Schachteln und Blechdosen. Darunter die Brüder Szlama und Baruch Rochmann, Söhne des aus Osteuropa eingewanderten Unternehmers Israel Rochmann: Baruch übernahm 1881 die 1869 von seinem Vater gegründete Firma „I. Rochmann“ – später „Namkori Phänomen“ – in der Landsberger Str. 29. Szlama gründete 1889 die „Cigarettenmanufaktur Mahala-Problem“ in der Alexanderstraße 13/22.

Letztere gilt als entscheidender Innovator der Branche: Schon mehr als 50 Jahre, bevor HB sein cholerisches Maskottchen regelmäßig vor dem Explodieren bewahrte, legte Szlama seinen Kunden nahe, ihre Sorgen mittels einer „Problem“ einfach in die Luft zu verpuffen. Mit Sortennamen wie „En Passant“ und „Trans“ richtete er sich an eine moderne urbane Zielgruppe, die dem Genuss der Zigarette nebenbei frönte. Vor allem aber zeigt sich bei „Problem“ der Übergang von schwülstig-exotischen Motiven zu einer klaren, sachlichen Bildsprache in der Reklame: Szlama engagierte die wichtigsten Graphikkünstler der wegweisenden Berliner Druckerei „Hollerbaum & Schmidt“ – Hans Rudi Erdt entwarf 1908 das Motiv des Fez tragenden türkischen Dandys für die Sorte „Moslem“, und auch Lucien Bernhard, Willrab und Louis Oppenheim gestalteten Motive für Verpackungen, Plakate, Emailleschilder und Sammelmarken. 1914 siedelte Szlama seine Firma in die größere Produktionsstelle Greifswalder Straße 212/213 (Prenzlauer Berg) um. Sein jüngerer Bruder blieb bei „Phänomen“ sowohl in der Auswahl der Werbemittel, als auch mit Sortenbezeichnungen wie „Drei Türken“ und „Odaliska“ eher der Tradition treu, trennte sich 1924 jedoch von dem (Phantasie-)Namenszusatz „Namkori“.

Friedrichshain Rochmann 021925 verstarb Szlama. Nur wenige Jahre später erlag „Problem“ den Folgen der Weltwirtschaftskrise und den schon zu Beginn des Jahrhunderts einsetzenden Konzentrationsprozessen innerhalb der Branche: 1930 verkauften seine Söhne Heinrich und Carl zunächst den Namen, dann die komplette Firma an Reemtsma. Der Hamburger Branchenriese stellte 1932 die Produktion ein. Heinrich emigrierte 1934 nach Großbritannien, Carl wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Baruch überlebte seinen Bruder um nur ein Jahr. „Phänomen“ wurde 1937 arisiert: Georg Stiegert und Peter Beckers stiegen anstelle von Baruchs Erben – die bereits 1936 austraten – als Gesellschafter in die Firma ein. Im November 1940 forderte der Polizeipräsident von Berlin die Streichung des Namens Rochmann aus dem Firmennamen; ab 1941 hieß sie „Cigarettenfabrik Phänomen Stiegert & Beckers“. Die Liquidation erfolgte erst 1961 – allerdings war die Produktion bereits 1953 komplett eingestellt worden.

Text: S. Brand