Eternit AG

Überkletterschutz hießen die Asbestzementrohre aus der Herstellung des Magdeburger VEB Asbestzementwerk, die auf einer Länge von 160 Kilometern die Berliner Mauer krönten. Sie wurden entsorgt. Ebenso die Tausende von Tonnen Spritzasbest am und im Palast der Republik. Anders die Probleme mit dem Internationalen Congress-Centrum (ICC), dessen Asbestentsorgung , seit über 10 Jahren von der zuständigen Messegesellschaft hinausgezögert, inzwischen über 300 Mill. Euro kosten würde. Im europäischen Raum kommt das Thema auch nicht zur Ruhe. Das Oberste Gericht in Italien beendete vor kurzem einen Prozess durch Freispruch wegen Verjährung gegen den Mehrheitsaktionär der Eternit-Werke in Italien, Stephan Schmidtheiny, der wegen Sicherheitsmängeln im Umgang mit Asbest den Tod von 3000 Mitarbeitern verursacht haben soll.

Neukoelln Eternit02Der Markenname „Eternit“ bezieht seine symbolische Bedeutung vom lateinischen „aeternitas“ und suggeriert unendliche Haltbarkeit. Das vom Österreicher Ludwig Hatschek 1900 erfundene und 1903 patentierte Verfahren der „Herstellung von Kunststeinplatten aus Faserstoffen und hydraulischen Bindemitteln“ (sprich Zement) stellte einen vielseitig einsetzbaren Baustoff her: Dachplatten, Innenraumplatten, Fassadenelemente, Lüftungsrohre und Dachrinnen, Bremsbeläge, Isolierungen in Elektrospeicherheizgeräten, Föhnen und Toastern, Fruchtsaftfiltern und nicht zuletzt Blumenkübeln. Unterirdisch fanden Asbestrohre verbreitet Anwendung als Wasserversorgungs- und –entsorgungsrohre im kommunalen und Industriebereich. Das dabei verwendete Asbest garantierte Feuerschutz und Frostbeständigkeit. Gewebe aus Asbest fanden Verwendung in Schutzanzügen für Feuerwehrleute, Arbeitern an Hochöfen und bei Theatervorhängen und -kulissen. Die Architekten, unter ihnen Walter Gropius in seiner Weißenhofsiedlung in Stuttgart 1927 und Le Corbusier, arbeiteten gerne mit dem neuen Werkstoff.

Neukoelln Eternit03Die 1929 in Berlin gegründete Deutsche Asbestzement AG (DAZAG) war damals noch eine Tochterfirma der Ost- und Mitteleuropäischen Zementwerke in Oppeln, nach 1945 in Goslar. Eternit und vor allem die Familie Schmidtheiny erwarben schon damals Anteile an der DAZAG. Durch Zwangsverkauf erwarb die DAZAG 1936 von der Firma Selig Salomon 11 ha Geländefläche. Selig Salomon starb 1937. Sein Sohn Albert emigrierte nach Brasilien. Im Reichsanzeiger wurde seine Ausbürgerung verkündet. Während der NS-Zeit und im II Weltkrieg lag der Schwerpunkt auf Rüstungsaufträgen. Teile der Betriebsanlagen wurden der Luftwaffe und ihrer „Gesellschaft für Luftfahrtbedarf“ sowie dem Flugzeugreparaturwerk in Rudow unterstellt. Die Verwendung von Asbest in zivilen Bauten war ab 1943 gänzlich verboten. Ohne den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, Fremd- und Zwangsarbeitern, ließ sich die Produktion nicht aufrechterhalten. Immerhin belief sich deren Anzahl Ende 1943 auf 50% der Gesamtbelegschaft.

1945 wurde das Werk in Berlin-Rudow, Kanalstraße 117-155, demontiert, erhielt aber schon 1949 einen Wiederaufbaukredit und Darlehen von ausländischen Anteilseignern. Zum 26.1.1952 erfolgte die Umbenennung in Eternit AG. Die Kriegszerstörungen riefen einen Bauboom hervor, bei dem Eternit-Produkte voll zum Einsatz kamen zumal sie von bekannten Architekten wie Ernst Neufert, Egon Eiermann und Werner Düttmann geschätzt wurden. Die Zahl der Beschäftigten im Rudower Werk stieg von 119 im Jahre 1949 auf 648 Enden 1951. Man arbeitete im Dreischichtbetrieb und zwar mit 80% für den bundesdeutschen Markt. Anschaulich zeigte seit 1957 das Eternit-Haus im Hansaviertel, das anlässlich der Internationalen Bauausstellung errichtet worden war, die Einsatzmöglichkeiten der Eternit-Produkte. Zum 1.10.1975 bezog die Eternit-Hauptverwaltung das ehemalige Osram-Gebäude am Ernst-Reuter-Platz. Dem bis dahin ungebremsten Aufschwung versetzte die seit 1980 beginnende Diskussion um die Gesundheitsgefährdung durch Asbestfasern ein jähes Ende. Die Eternit AG reagierte mit der Errichtung eines Forschungslabors für Ersatzstoffe, diversifizierte ihre Produktpalette und Geschäftsfelder und vereinbarte mit der Bundesregierung die Ersetzung von Asbest in zwei Stufen bis 1990. Ab 1990 lieferte das Unternehmen nur noch asbestfreie Bauelemente für den Hochbau. In Berlin wurde bereits Mitte der 1980er Jahre die Verwendung von unterirdischen Wasserrohren untersagt.
Die Übernahme der Fulgurit-Werke in Wunstorf endete mit deren Schließung unter Zurücklassung von 170000 Tonnen Asbestschlämmen, deren Verbringung auf Deponien in Mecklenburg-Vorpommern 2012 verboten wurde. Die Hauptverwaltung verlegte ihren Sitz 2003 nach Heidelberg. Die seit 2007 tätige Akademie dient als Kommunikator zu den Anwendern, sowohl vergangenen wie auch zukünftigen darunter auch die Wohnungswirtschaft und Wohnbaugesellschaften.

Quellen

  • Bönisch, Monika u.a. (Hrsg), z.B. Asbest. Ein Stein des Anstoßes. Kulturelle und soziale Dimensionen eines Umweltproblems, Berlin 1990.
  • Feuerfest. Asbest. Zur Geschichte eines Umweltproblems. Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, Dresden 1991.
  • Bestand U 5/1 Eternit AG im BBWA.

von Dr. Klaus Dettmer