Gasspeicher als Bunker in Kreuzberg

Unweit der U-Bahnstation Südstern grenzen die die Körtestraße, die Fichtestraße und die Hasenheide ein Areal ein, das die Stadt Berlin 1873 erwarb, um darauf vier Gasspeicher errichten zu lassen. 1825 hatte die Stadt mit der Imperial Continental Gas Association einen Vertrag über die Gasherstellung und die Aufstellung von Laternen mit einer Laufzeit von 21 Jahren abgeschlossen. Nach Vertragsablauf beschloss der Magistrat den Bau eigener Gaswerke, darunter die Zweite Städtische Gasanstalt in der Gitschiner Straße am Urbanhafen. Der ständig steigende Bedarf erforderte für die Speicherung Kapazitätserweiterungen. Die bestand aus vier oberirdischen Gasbehältern mit jeweils 30000 cbm Fassungsvermögen auf dem Gelände an der Fichtestraße. Eugen Reisser, technischer Dirigent der Gasanstalten, entwarf die ockerfarben gehaltene Ziegelverkleidung, die sich an die ästhetischen Vorgaben von Schinkel hielt und gleichzeitig den technischen Zweck des (Industrie)- Baues verbarg. Bei einer Höhe von 21 Metern und einem Durchmesser von 55 Metern bestand das technische Hauptproblem in der Dachkonstruktion. Das löste die nach ihrem Erfinder Johann Wilhelm Schwedler benannte

kb13-14Schwedler-Kuppel, die die Überdachung großer Gebäude wie Lokomotivschuppen und Panoramen ermöglichte. Hinter der Ziegelverkleidung befand sich der eigentliche Druckbehälter, in dem je nach Füllungsdruck des Gases eine Bodenplatte in ein mit Wasser gefülltes Bassin drückte. Bei nachlassender Gasmenge wurde durch den Wasserdruck die Volumenmenge des Druckbehälters wieder verringert. Die Speicherbehälter wurden 1937 stillgelegt. Ab 1940 baute man den direkt an der Fichtestraße liegenden Behälterbau zu einem Hochbunker um, den eine 3,20 Meter dicke Betondecke gegen Fliegerbomben schützte. Er hatte sechs Etagen und war ausgelegt für 6000 Mütter mit Kindern, von denen jeweils 6-8 in fensterlosen Innenräumen untergebracht waren. Ein Notstromaggregat sorgte für Beleuchtung, Kraftstrom für die Belüftung und Kochstrom.

30 Notküchen, Sanitäts- und Gepäckräume standen zur Verfügung. Leuchtstreifen an den Wänden sorgten für eine Art Notbeleuchtung bei Stromausfall. Mit der Intensivierung des alliierten Bombenkrieges drängten auch die Anwohner des Fichte-Bunkers in dessen Schutzräume. Gegen Kriegsende war er mit 30000 Personen belegt. Nach 1945 diente er als Durchgangslager für Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Dann diente er als Jugendarrestanstalt und Altersheim. Nächstes Kapitel waren die Flüchtlinge aus der DDR bis 1961. Es schloss sich die Benutzung als Obdachlosenasyl an. Dieses geschlossen erwiesen sich die leerstehenden Flächen geeignet für die Unterbringung der strategischen Vorsorge gegen eine neue Blockade, der sogenannten Senatsreserve, die nach 1990 aufgelöst und u.a. an die notleidenden abgezogenen russischen Soldaten verteilt wurde. Dann fiel der Bunker in eine Art Märchenschlaf, aus dem ihn der Verein Berliner Unterwelten und Investoren weckten: Sie errichteten auf dem Dach moderne Loft-Wohnungen mit gesondertem Zugang. Der ehemalige Gasometer und Bunker ist heute für Besichtigungen zugängig.

Trotz ihrer Bedeutung existieren kaum Unterlagen über viele ehemals bekannte Unternehmen. Krisen, Kriege und Besitzerwechsel haben das Schriftgut der Wirtschaft zerstreut oder gänzlich vernichtet. Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv hat die Aufgabe, Unterlagen zur Berliner Wirtschaft zu sichern und für die Nachwelt zu erhalten. Bitte geben Sie uns Hinweise auf solche Unterlagen (Festschriften, Werkszeitungen, Fotos, Patente, Jahresabschlüsse, Bilanzen oder Verträge).

Info:
Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e.V., Eichborndamm 167, Haus 42, 13403 Berlin
Tel.: 030 411 90 698, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.bb-wa.de