Von Fasern und Seilen - Schönebergs Reeperbahn

BWGSchneberg2013 2014Fäden, Kabel, Strippen, Schnüre, Seile, Taue und Trossen - was ist ihnen gemeinsam? Sie sind aus einzelnen Fasersträngen fest zusammengedreht. Die Vielzahl der Begriffe deutet auf ein breites Feld von Anwendungen: Ob für den Aufbau eines Zirkuszeltes, für das Heben und Senken der Bühnenbilder im Theater, beim Heben von Lasten, als Packschnur oder beim Segeln: Leichte und reißfeste Seile sind Voraussetzung. Über das Fallreep klettert der Lotse an Bord. Das dabei verwendete Reep wurde auf den bis zu einem Kilometer langen Reeperbahnen (Seilerbahnen) mit Hilfe des seit der Antike bekannten Seilerrades hergestellt.

Bei der Großen Berliner Gewerbeausstellung 1896 wurde der Fesselballon mit einem 600 Meter langen Seil der Firma Troitzsch aus Schöneberg gehalten. Sie Seilerbahn verlief damals entlang der heutigen Belziger Straße. Aus den Naturstoffen Flachs, Hanf oder Tierhaaren wurden Fäden geflochten, aus denen der Seiler Litzen oder Korden bildete. Die waren dann die Bestandteile von Schnüren (Durchm. bis 5 mm), Leinen (6-12 mm) oder Seilen (über 12 mm). Mit der Entwicklung von Seilermaschinen verringerte sich der Platzbedarf, so dass Seilereien wie etwa die Firma Lusche (1923) auf der üblichen Grundstücksgröße genügend Platz für ihre Maschinen hatte.

Seiler und Sattler im 19. Jahrhundert Die Vorfahren der Seiler Berlins wanderten 1723 als Glaubensflüchtlinge aus Böhmen zu. Der Soldatenkönig schätzte ihre handwerklichen Fähigkeiten als Weber und setzte sie auf Kolonistenstellen als Kossäten (Tagelöhner). Nach ihnen wurde der Böhmerberg benannt, heute Teil der Hauptstraße (Nr.130-140). Der Umgang mit Fäden wurde in der Familie offenbar weitergegeben. Neben die Seile aus Naturrohstoffen traten die für hohe Belastungen ausgelegten Drahtseile (bis 36 mm).

Nach 1945 gesellten sich Kunststoffe und Ketten zur Angebotspalette der Seilereien. Seilzubehör, Montagen und Reparaturen von Seilen und Netzen sowie gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsprüfungen gehörten ebenso zum Geschäftsfeld. Nutzer dieser Produkte sind heute die Bauindustrie, Kranbetriebe, Kabel- und Freileitungsbaufirmen, die Windkraftindustrie, Schiffsbedarf, Architektur, Stahlbau, Theater- und Opernhäuser.

Info:
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Tel.: 030 411 90 698, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.bb-wa.de
Erschienen in Schöneberg kompakt 2013/2014, Verlag BfB Bestmedia4Berlin
Text: Klaus Dettmer
Illustrationen: BBWA