Industriegeschichte Zehlendorfs

Zehlendorf_2011_12b.jpg1872 wurden die Siedlungen rings um Zehlendorf zu einer Landgemeinde zusammengefasst und kamen 1920 als Bezirk zum neu gebildeten Groß-Berlin. Hier gibt es bis heute sehr wenig Industrie. Nach dem Wegfall des Gewerbegebietes östlich des Dahlemer Weges blieben vor allem die Firmen am Königsweg Richtung Düppel: Hier setzt die Hach Lange GmbH das Geschäft der Dr. Bruno Lange KG fort, die nach der Erfindung der Selen-Photozelle 1933 gegründet wurde. In der Beuckestraße begann Ulrich Knick mit der Herstellung von hochgenauen nullpunktstabilen Gleichstromverstärkern – die Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG gibt es noch heute. Typisch Berlin: Aus einer Idee wird ein wirtschaftlich erfolgreiches Geschäft.

Neben diesen bedeutenden Mittelstandsunternehmen sind es vor allem Handwerk und Kleingewerbe, die in Zehlendorf Fuß gefasst haben. Eines war die »Stabo« Stahl- und Werkzeughandel Sperr GmbH, die 1926 von Fritz Sperr in München-Starnberg gegründet worden war und 1939 nach seinem Ausscheiden – wahrscheinlich wurde er als Jude zwangsenteignet – nach Berlin verlegt wurde. Im Poßweg verkaufte das Unternehmen Präzisionswerkzeuge, Gewinde- und Spiralbohrer sowie Feilen und Reibahlen.

Zehlendorf 2011 12a2Nach dem Krieg gerieten die beiden Gesellschafter Wilhelm Ziegaus und Richard Daas wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt. 1952 erwischte man sie dabei, wie sie verbotenen Schwarzhandel mit der Sowjetzone trieben und zweieinhalb Tonnen Stahl widerrechtlich verschoben hatten. Wegen dieser »persönlichen Unzulänglichkeit« der beiden verlor das Unternehmen 1954 die Gewerbezulassung und wurde 1956 gelöscht. 1959 jedoch erregte Ziegaus in Westdeutschland erheblichen Ärger, weil er noch immer Spiralbohrer verkaufte – indem er sie ungefragt an Unternehmen versendete und eine Rechnung beilegte. Viele Unternehmen zahlten die Rechnung, weil sie sie als Hilfe für die Westsektoren des geteilten Berlins verstanden. So gibt dieses kleine Unternehmen durch seine Überlieferung Einblick in die deutsche Wirtschaftsgeschichte

Über viele Unternehmen, gibt es heute keine Unterlagen mehr. Krisen, Kriege und Besitzerwechsel haben das Schriftgut der Wirtschaft vernichtet. Selten ist das komplette Archiv eines Unternehmens erhalten geblieben.

Das Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv sichert Unterlagen zur Berliner Wirtschaft (Dokumente, Werkszeitungen, Produktkataloge, Fotoalben, Patente und Aktien, Jahresabschlüsse, Bilanzen und Verträgen). Wenn Sie Hinweise auf dergleichen Unterlagen geben können, sind Sie herzlich willkommen.

Info:
Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e.V., Herr Berghausen, Eichborndamm 167, Haus 42,13403 Berlin, Telefon: 030 41190698, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., http://www.bb-wa.de

Zuerst abgedruckt in Zehlendorf kompakt 2011/2012, Verlag BfB Bestmedia4Berlin GmbH

Text: Björn Berghausen
Illustrationen: BBWA