Schönebergs Entwicklung zum Industriestandort

Das in den Urkunden seit 1264 erscheinende Sconenberch entstand auf dem Höhenzug des Teltow, südlich des Warschau-Berliner Urstromtales. 1750 ließ Friedrich II. 20 Familien böhmischer Glaubensflüchtlinge in eigens für sie errichteten Häusern in Neu-Schöneberg ansiedeln. Sie sollten mit Garnherstellung und Weberei die Textilindustrie stärken. Zur Seidengewinnung pflanzte man Maulbeerplantagen in der Dorfflur. An diese Zeit erinnert die nach einem Brand 1764 neu errichtete Dorfkirche. Auf dem Areal des heutigen Kleistpark befand sich bis zu seinem Umzug 1897 nach Dahlem der Botanische Garten, Nachfolger des kurfürstlichen Hopfengartens. Zu Mühlen, Gärtnereien und ländlichem Handwerk gesellten sich Kattunbleichen als Vorboten der industriellen Umwälzungen.

schoenebergSeit 1838 verlief die erste Eisenbahnlinie von Berlin nach Potsdam über Schöneberger Gebiet, aber erst 1871 wurde eine Station an der Anhalter Bahn gebaut. Das Wachstum Berlins griff auf Schöneberg über. Durch Verkauf ihrer Ländereien wurden die Bauern zu den "Millionenbauern" der Romane Clara Viebigs. Terraingesellschaften, darunter auch die von Georg Haberland, legten attraktive Wohnviertel an (Bayrisches Viertel, Viktoria-Luise-Platz). 1898 stieg Schöneberg dank seines Bevölkerungswachstums den Rang einer Stadt auf. Der Rathausneubau von 1914 drückte den Stolz darüber aus. An das U-Bahnnetz war Schöneberg seit 1910 angeschlossen. Die Versorgung mit Gas als Heizmittel und Beleuchtung übernahm das 1871 errichtete Werk in der Torgauer Straße. Die Charlottenburger Wasserwerke lieferten Trinkwasser. Die Hanglage des Teltow war für die Schöneberger Schloßbrauerei der geeignete Ansiedlungsort.

Zu den ursprünglichen Schöneberger Firmen gesellten sich bald auch Berliner Firmen im Gefolge der ersten industriellen Randwanderung auf der Suche nach Expansionsflächen. Die Wagenfabrik von Jungbluth spezialisierte sich auf die Produktion von Einsenbahnmaterial, Pfeiffer & Druckenmüller auf den Brückenbau, Mix & Genest auf die Herstellung von Telegraphen, später Telefonen. Bekannte Firmen der Optik-Branche wie Carl Bamberg, C.P.Goerz und P.Wächter ließen sich hier nieder ebenso wie Luxuspapierfabriken, Druckanstalten (Meisenbach & Riffarth), Verlage (Langenscheidt) und Spezialbuchhandlungen (Schropp). Zu den zahlreichen Bildhauer- und Steinmetzwerkstätten gesellte sich auch die Bildgießerei Noack. In dem 1910 eröffneten Sportpalast begann das Zeitalter der Sechstagerennen. Die Lehranstalten von Lette können sich als Vorreiter der weiblichen Berufsausbildung in ganz Deutschland betrachten.

Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv sammelt Material zur Wirtschaftsgeschichte im Bezirk und ist für Hinweise auf Unterlagen dankbar.

Info:
Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv,
Eichborndamm 167 Haus 42, 13403 Berlin,
Tel.: 4119 0698, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., Internet: www.bb-wa.de

Text: Dr. K. Dettmer

abgedruckt in: Schöneberg kompakt 2011/2012, Verlag BfB Bestmedia4Berlin GmbH