Unternehmerruhestätten auf dem jüdischen Friedhof in Weissensee.

Die Verleihung eines Kommerzienrats-Titels hatte den Charakter einer bürgerlichen Nobilitierung und verdiente es folglich auch, auf dem Grabstein erwähnt zu werden. Wann und für welche Berufe sich der Brauch einbürgerte muß uns noch die Grabsteinsoziologie berichten. Sigmund Aschrott, Bankier, beauftragte den seinerzeit berühmten Architekten Bruno Schmitz mit dem Entwurf eines Erbbegräbnisses. Schmitz hatte u.a. die Denkmäler auf dem Kyffhäuser, auf der Porta Westfalica, am Deutschen Eck in Koblenz und das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, die „Nietenpyramide“ wegen ihrer Finanzierung durch Lotterien, erbaut. Die Vorläufer des am 9.9.1880 in Weissensee eröffneten Friedhofs lagen in der Großen Hamburger Straße mit dem ältesten Grabstein von 1672, gefolgt von dem 1827 vor dem Schönhauser Tor an der gleichnamigen Allee eröffneten neuen Gräberfeld.

weissensee 2015 3Auf dem Weissenseer Friedhof liegen u.a. der Physiker Hermann Aron, dem wir den Stromzähler verdanken und dessen Name sich in der nach ihm benannten Meßvorrichtung für Drehstromleistung erhalten hat. Es liegt hier Max Hirsch, der zusammen mit Franz Gustav Duncker den nach ihnen benannten Gewerkverein gründete ebenso wie der Gründer des S. Fischer-Verlages. Rudolf Mosse fand hier seine letzte Ruhestätte. Er baute einen Anzeigen- und Pressekonzern auf, zu dem das liberale „Berliner Tageblatt“, Adressbuch- und Telefonbuchverlage sowie der Rudolf-Mosse-Index für den telegraphischen Handelsverkehr gehörten. Sein repräsentatives Verlagsgebäudes stand im Zeitungsviertel in Kreuzberg. Ebenfalls hier liegt auch Adolf Jandorf, der als Anerkennung für seine Verdienste zu Kommerzienrat ernannt wurde. Er brachte aus den USA die Idee der Warenhäuser nach Deutschland. Ihm gehörten u.a. das KaDeWe , das Hertie-Warenhaus am Halleschen Tor und das Warenhaus in der Brunnen-Ecke Veteranenstraße.

So schildern die Grabstätten des Weissenseer Friedhofs das breite Spektrum jüdischer Unternehmertätigkeit in der Kaiserzeit und der Weimarer Zeit. Die in der NS-Zeit betriebenen "Arisierungen" endeten in Enteignung und Deportation und bedeuteten die Zerstörung der fruchtbarsten Periode in der deutsch-jüdischen Geschichte.

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Text: Prof. Dr. K. Dettmer