Aschenputtel am Potsdamer Platz - das Weinhaus Huth

Tiergarten 2016 2017 01"Zu- und weggebaut bis keine Erinnerung mehr möglich ist .." schrieb Wolf Thieme 1988 mit Blick auf das letzte Haus am Potsdamer Platz und bewies prophetische Vorausschau. Die Potsdamer Straße zwischen gleichnamigem Platz und Landwehrkanal war schon in der Speerschen Planung für eine Nord-Süd-Achse mit Knotenpunkt Rundem Platz zu einer Nebenstraße degradiert worden. Die Bombenangriffe vom 23.bis 25.November 1943 legten das gesamte Gebiet entlang der Potsdamer Straße in Schutt und Asche, deren Brandgeruch bis nach Stockholm reichte.

Nur zwei Perlen der Vergangenheit blieben erhalten: das unter das Sony-Dach geschobene Hotel Esplanade und das Haus Huth in der Alten Potsdamer Straße. Während 60 Jahren hielten sie in der Steppe des Niemandslandes die Erinnerung an den alten Potsdamer Platz wach: Potsdamer Bahnhof mit Wannseebahn-Bahnhof, Haus Vaterland, Fürstenhof , Palast- und Bellevue-Hotel, die Cafés Josty und Telschow sowie das Rundfunk-Geburtshaus- das Vox-Haus gegenüber Haus Huth. Die Familie Huth konnte ihre Tradition bis zu einem Kellermeister Friedrichs II zurückverfolgen. Das Grundstück Potsdamer Str. 140 gehörte der Familie seit 1877, die dort eine Weinhandlung und Restauration betrieb. Zu deren Gästen zählten u.a. Adolph Menzel, der Reichstags-Architekt Wallot, die Gebrüder Grimm und Theodor Fontane, der nur 5 Häuser entfernt wohnte.

Der Nachfolger des 1904 verstorbenen Friedrich karl Christian Huth, Willy, der mit der Tochter des Glaser-Innungs-Meisters Diede verheiratet war, entschloß sich zu einem Neubau nach dem Vorbild des Weinhauses Rheingold (von Bruno Schmitz 1907). Die Firma Leitolf errichtete einen modernen Stahlskelettbau, dessen Haut aus Kirchheimer Muschelkalk bestand und das als Wahrzeichen ein aus der Bauflucht hervorstehenden Türmchen besaß. Das Stahlskelett sicherte dem Gebäude sein Überleben während der Bombenabwürfe. Diede steuerte die altdeutschen Buntglasscheiben für die verschiedenen Säle (Roter-, Langer-, Feldherren- und Wappensaal) bei, die erst im Endkampf um Berlin 1945 zerstört wurden. Im 1000m² großen Keller wren die Fässer gelagert, aus denen der Wein auf Flaschen gezogen, etikettiert und vertrieben wurde. In den Schoppenstuben konnte er vor Ort verkostet werden. Huth beliefert u.a. auch die Reichskanzlei in der Voßstraße mit Wein und die Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße mit kalten Platten. Ausstellungen, Messen und Kongresse, aber auch die nahelegene Philharmonie sicherten dem Haus eine feste Kundschaft.Nach 1945 ging es ständig bergab.

BBWA Tiergarten Weinhaus Huth 1990 kleinGastronomische Versuche wie der "Klaussner" und "Wiener Heurige" scheiterten. Die Grenzgänger besuchten Kinos und Geschäfte des Westens. Die über Schöneberg hinaus zu verlängernde Stadtautobahn mit einem Autobahnkreuz im Bereich vom Gleisdreieck und einer anschließenden Verlängerung nach Norden hätte den Abriss von Haus Huth mit sich gebracht. Hans Scharoun richtete sich nach diesen Planungen und legte die Staatsbibliothek über die Potsdamer Straße. Haus Huth blieb an deren Reststück völlig im Abseits. Die Erben verkauften das Haus an den Bezirk Tiergarten, die Rechte des Weinhauses gingen an das Berlin Hotel. Die Magnetbahn zwischen U-Bahnhof am Mendelssohn-Platz und Philharmonie und Polen-Markt an der Linkstraße bezeugten, daß die Stadtplaner mit dem Areal nichts anzufangen wußten. Der Denkmalschutz sicherte dem Haus Huth das Überleben. 

Über viele Facetten der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte gibt es heute keine Unterlagen mehr. Das Wirtschaftsarchiv hat die Aufgabe, Unterlagen zur Berliner Wirtschaft zu sichern und für die Nachwelt zu erhalten. Hinweise hierzu sind herzlich willkommen.

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Text: Prof. Dr. Klaus Dettmer