Von Mammutknochen und Hundekuchen

Tempelhof_2011_12a2.jpgDas Rittergut Tempelhof, das nach der Zusammenlegung zum Berliner Großstadtbezirk 1920 den vier Ortsteilen seinen Namen gab, wurde schon 1228 erstmals erwähnt. 1863 erwarb der Bankier Joseph Jacques das Rittergut und verfügte, dass auf seiner »Jacques'schen Last« nur Landhäuser errichtet werden dürfen, nicht aber Fabrikanlagen. Deshalb dauerte es bis 1882, bis die Industrialisierung in Tempelhof einzog – und sie begann mit der Berliner Hundekuchen-Fabrik J. Kayser an der Kaiserin-Augusta-Straße. Es folgte 1884 die Lackfabrik C.M. Müller, die Lederlacke und -appreturen herstellte.

Dann waren und sind große Unternehmen mit dem Bezirk verbunden: Julius Freudenstein (Eisenbahnen), C. Lorenz AG (Telegrafen und Morseapparate), Fritz Werner Werkzeugmaschinen AG, Orenstein & Koppel (Lokomotiven und Waggons). – von denen einige in Vergessenheit geraten sind. Zweigwerke bedeutender internationaler Unternehmen kamen ebenfalls zur Jahrhundertwende nach Tempelhof: Zum Beispiel die Electrolux AG (Staubsauger) und Schindler & Co. (Aufzüge). Rasierklingen wurden ab 1907 bei Otto Roth AG bzw. ab 1925 Roth-Büchner AG hergestellt. Beide Unternehmen gehörten ab 1926 zur amerikanischen Gillette Corporation, verloren ihren Firmennamen aber erst 1973. Nicht zu vergessen die Unternehmen Sarotti (Schokolade), Ullstein (Verlag), Ufa (Kinofilme) oder die Hustentropfen Tussamag der Albert Mendel AG (AMAG), später Temmler-Werke, die heute unter dem Kürzel CT Arzneimittel GmbH in Reinickendorf firmieren.

Tempelhof 2011 12b2Die Chemischen Werk Marienfelde Richard Bösche meldeten am 8. November 1905 ihre Mammut-Marke an – wohl um die Aufregung über den Fund von Mammutknochen zu nutzen, Die waren beim Bau des Teltowkanals (1900-1906) in Tempelhof ausgegraben worden.

Über viele Unternehmen, die zur industriellen Entwicklung Tempelhofs dazugehören, gibt es jedoch heute keine Unterlagen mehr. Krisen, Kriege und Besitzerwechsel haben das Schriftgut der Wirtschaft zerstreut, wenn nicht sogar vernichtet. Selten ist das komplette Archiv eines Unternehmens erhalten geblieben.
Das Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv hat die Aufgabe, Unterlagen zur Berliner Wirtschaft zu sichern und für die Nachwelt zu erhalten. (Dokumente, Werkszeitungen, Kataloge, Fotoalben, Patente und Aktien, Jahresabschlüsse, Bilanzen und Verträge).
Bitte geben Sie Hinweise auf solche Unterlagen!

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Abgedruckt in Tempelhof kompakt 2011/2012, Verlag BfB Bestmedia4Berlin GmbH